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Der Brott
Eine einführende Kurzdarstellung in Rezeptform
Rezept für eine 24-köpfige Gesellschaft, hungrig, durstig, geübt.
Das "Kartoffelbraten" ist ein ureigener Biedenkopfer Brauch und bedarf einer gewissenhaften Vorbereitung.
Voraussetzung sind eine ausgeklügelte Logistik, die Nähe zu einem buchenreichen
Wald, sowie und insbesondere ein fachkundiger und erfahrener Bratmeister mit Biedenkopfer Stammbaum.
Der Ortsfremde sei darauf hingewiesen, daß das Kartoffelbraten Kartoffelbraten heißt,
allenfalls noch "Kartoffelbratpartie" und nicht etwa "Bratkartoffelfest", "Buchholzgrillen" oder sonst wie ...
Zutaten
2 Raummeter frisch geschlagenes Buchenholz
12 Pfund Kartoffeln aus frischer Ernte, "festkochend" (idealerweise in einheitlichem Format, vorzugsweise in mittlerer bis kleiner Größe)
50 + 30 + 30 Liter gekühltes Faßbier
1400 Gramm Rettichsalat
1000 Gramm Zwiebelsalat
1200 Gramm Heringssalat
1 Faß Salz
4 Stück Butter à 250 Gramm
6 Pfund Lewwerworscht
1 Blase Lewwerworscht (für den Bratmeister)
12 Mettwörschtcher geräuchert (Knowelincher)
12 Mettwörschtcher ungeräuchert
24 Hackbraten gemäß Biedenkopfer Metzger-Standard
2 Liter Kümmel (32 Vol. %)
Die Erfahrung zeigt die Notwendigkeit des Hinweises, daß z. B.
- Ketchup
- Kartoffelsalat
- Tomatensalat
- Obstsalat
ausdrücklich nicht als Zutaten gelten.
Gerätschaften
1 "Stihl" Motorkettensäge (sowie die dafür erforderlichen Betriebsstoffe)
1 Spaltaxt
2 - 3 Spaltkeile, geschmiedet
1 Steingabel (wie sie im Straßenbau verwendet wird)
1 Schippe mit "Mannheimer Blatt"
1 Satz Altpapier (z. B. "Hinterländer
Anzeiger")
1 Packung Zündhölzer oder 1 Feuerzeug
Vorbereitung
Die vorbereitenden Maßnahmen beginnen an einem der Vortage des geplanten Kartoffelbratens.
Das Buchenholz ist zunächst im Wald zu schlagen.
Die gefällten Stämme sind in meterlange Stücke zu schneiden und zum Bratplatz zu
transportieren.
Dort ist das Holz der Länge nach mittels Spaltaxt und -keilen in Scheite zu teilen - je nach Stärke zu halbieren oder zu vierteln.
Nun beginnt die Verantwortung des Brat- und Feuermeisters.
Die Holzscheite sind auf dem Bratplatz systematisch zu schichten.
Mittels Papier und Zündhölzer ist das Feuer kurz vor dem Verfliegen des Morgentaus zu entfachen.
Die Kunst des Bratmeisters besteht darin, das Abbrennen des Feuers so zu gestalten, daß ein hinreichend großer Haufen schwarzer, glimmender Glut rechtzeitig zur Verfügung steht.
Üblich ist, daß am Mittag die hungrige Gesellschaft mit gegarten Kartoffeln versorgt ist.
Gewöhnlich benötigt das aufgeschichtete Buchenholzfeuer etwa 3 bis 4 Stunden, bis das Holz überwiegend in Glut übergegangen ist.
Das Feuer sollte soweit heruntergebrannt sein, daß ein stattlicher Haufen von Glut von einem kleinen Rest an brennenden Scheiten bedeckt ist.
Die verbleibenden brennenden Scheite sind mit der Schippe von der Glut zu trennen.
Sie werden neben dem Gluthaufen zu einem "Nebenfeuer" abgelegt und der Bratmeister hat darauf zu achten, daß dieses Nebenfeuer durch portionierte Zuführung
weiterer Holzscheite "am Leben" gehalten wird.
Der eigentliche Gluthaufen wird mit der Schippe flach ausgebreitet. Die schwarze Glut überzieht sich sodann mit einer feinen, weißen Ascheschicht.
Zubereitung
Jetzt ist es an der Zeit, die gewaschenen (machen i.a. die Frauen) Kartoffeln mit der Steingabel auf die ausgebreitete Glut zu
legen. Dort läßt man sie ca. 15 Minuten
"schwitzen".
Nun werden die Kartoffeln vollständig mit Glut bedeckt und man läßt den Gluthaufen mit seinem Inhalt ruhen.
Nach etwa 40 Minuten sollte der Glut eine kleine Probe gegarter Kartoffeln entnommen werden.
Sollte die Kostprobe den Gütetest bestehen, müssen alle Kartoffeln zügig aus dem
Feuer genommen werden. Wenn die Kartoffeln noch nicht hinreichend gegart sind, müssen sie eine angemessene Zeit weiter garen.
Im dritten Fall ist der Bratvorgang mit verkürzter Dauer und alternativem
Bratmeister zu wiederholen.
Zur Entnahme der Kartoffeln schiebt der Bratmeister die Steingabel vorsichtig und flach unter den Gluthaufen und führt die Gabel rüttelnd nach
oben. Dabei fallen die Glutstücke durch die Sprossen der Gabel oder neben der Steingabel herunter.
Übrig bleiben auf der Gabel die gegarten Kartoffeln, die man der Gabel entnimmt
und einem geeigneten Behälter (Schüssel, Korb, Kiste, Karton, hitzebeständig)
zuführt.
Dieser Behälter wird der wartenden und hungrigen Meute serviert.
Verzehr
Üblich ist, die Kartoffeln unter Anwendung leichten bis mittleren Drucks derart zu verformen, daß die Pelle reißt und das dampfende Innere der Kartoffel Angriffsfläche für das Bestreichen mit einer Messerspitze Butter
bietet. An dieser Stelle freut sich die Kartoffel über eine Prise Salz. Sodann ist die Kartoffel verzehrfertig.
Der Ortsfremde sei ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der besondere Genuß darin besteht, die Kartoffel mit der Pelle zu
verspeisen. Im allgemeinen wird dabei auf technische Hilfsmittel wie Messer und Gabel verzichtet.
Es sei denn, man ergänzt den Kartoffelgenuß mit Salatbeilagen.
Dann darf zumindest eine Gabel zu Hilfe genommen werden.
Üblicherweise wird weiterhin Leberwurst und Faßbier verabreicht.
Dessert
Zum Abschluß und zur Verdauung kommt der genannte Kümmel zum Einsatz.
Nach Verdauung der geschilderten Mittagsmahlzeit wird es im allgemeinen im Laufe
des Nachmittages erforderlich, vereinzelt aufkommenden Hungergefühlen
entgegenzuwirken.
Man erfüllt dies gewöhnlich dadurch, daß der Glut (aus dem zwischenzeitlich und
kontinuierlich gepflegtem Feuer) nun die Hackbraten anvertraut werden.
Zu weiter fortgeschrittener Stunde und als finaler Imbiß werden die Mettwörschtcher gegart.
Danach dient das Feuer zum Wärmen und der andächtigen Besinnlichkeit...
© Copyright Eckhard & Rainer Henkel